Die Gracchen- oder: „133 v. Chr.- der A**** hat Kirmes!“

von | Nov 20, 2011

Conny und Dennis meet Torsten Sträter

Conny und Dennis meet Torsten Sträter

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Freundlich sehn‘ se aus, ne? Ja, und freundlich waren wohl auch durchaus ihre Absichten, die sie verwirklichen wollten. Zumindest die Vielzahl der Menschen des „normalen Volkes“ waren begeistert… aber wie es so ist: Allen recht machen kann mans nicht und im alten Rom bezahlte man mit solchen Unterfangen gerne mal mit dem Leben… .

Der Politiker Tiberius Gracchus war dem Senat schon lange ein Dorn im Auge. Seine Forderung bestand klar darin, die Verteilung von Staatsland an arme Bürger zu gewähren. Sehr zum Missfallen des damaligen Oberpriesters. Dieser sah sich selbst als Retter des Volkes, indem er..
..zum offenen Kampf gegen Gracchus aufrief.

Frei nach dem Motto „Hexenverbrennungen, Hinrichtungen und Kreuzzüge- wir wissen wie man feiert! Ihre Kirche.“ schart er schnell Gefolgsleute um sich, die sich nicht minder schnell bewaffnen (mit allem, was sie gerade finden).

Dass sie Tiberius finden, muss hier wohl nicht erwähnt werden… dass sie keinen Stuhlkreis gebildet haben, auch nicht.

Trotzdem! Wie kam es eigentlich dazu? Rom! Hier wurde bis dahin immer die Meinung vertreten, dass trotz der verschiedenen Stände der Bürger (der Einteilung in Elite und Landbevölkerung) die Ziele -zumindest im Groben- die gleichen seien. 
An diesem Tag wurden die friedlichen Mittel zur Lösung eines Problems ausgeschlossen und es wurde geprügelt, gemordert und verdroschen was das Zeug hält.


Intrige, Drohung und Gewalt stehen mittlerweile leider an der Tagesordnung an einem Ort, der vorher der Inbegriff für politisches Leben auf hohem Niveau war.


Rom begleitete damals eine Stellung, die eventuell mit der des Weißen Hais im Meer verglichen werden kann. – Keine natürlichen Feinde mehr!
Dies lag einfach daran, dass diese in regelmäßigen Abständen unterworfen wurden und mittlerweile niemand mehr übrig war, der der Stadt inkl. ihrer eroberten Gebiete und Kolonien das Wasser reichen konnte. 
Zu den größten Erfolgen zählen hier zweifelsohne der Sieg über Karthago und Makedonien.


Von dieser Expansion, die fast den gesamten Mittelmeerraum umfasste, haben lange Zeit nicht nur die Reichen profitiert. Mittelschichtler (stellen den Großteil der Legionäre) erhielten auch ihren Anteil an der Kriegsbeute. 
Hatte also ein Legionär das Glück, seinen Dienst zu überleben, winkten Land und Geldzahlungen. 
Veteranen und besitzlose Bürger bekamen Grundstücke zugeteilt. Diese gehörten zum ager publicus (Teil des Staatslandes) und bestand aus konfiszierten Gebieten besiegter Nachbarvölker. 
Besiegen und nutzen war hier die Devise. Scheinbar ein lukratives Geschäft… .
Jedoch wurden bei Weitem nicht alle Areale des ager publicus verteilt. Viele blieben in öffentlichem Besitz. Gegen Pacht konnte jeder Römer dieses Land nutzen.
177 v. Chr. dann der Umbruch: Der Senat hat die glorreiche Idee, keine neuen Parzellen mehr zu vergeben und damit keine neuen Kolonien mehr zu gründen.
Doch warum? War es so friedlich geworden, dass der militärische Nutzen der Verteilung (die Verteidigung im Notfall) quasi zu gering war? 
Ganz genau lassen sich die Gründe in der heutigen Zeit nicht mehr nachvollziehen. Manchmal müssen Fakten der Geschichte wohl einfach als solche hingenommen werden.

Der frei verfügbare Teil des ager publicus wurde nun immer kleiner. Das lag daran, dass wohlhabende Bürger (zum Beispiel Senatoren) viele Ländereien zu ihrem eigenen Nutzen verwendeten, diese bebaubar machten und so ihre Macht erweiterten. Aufgrund dieses Mangels an Fläche wurde die Größe das Landes, welches besessen werden durfte auf 125 ha (+ ca. 450 ha für Vieh) beschränkt.

Die Oberschicht hielt sich natürlich nicht an diese Vorgaben. Sie arbeiteten nicht selten mit Strohmännern zusammen, die Land in ihrem Auftrag besetzten. Die Ländereien wurden dann letztendlich von Verwaltern geführt, während sich die Senatoren ein schönes Leben innerhalb Roms machten.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis es den ersten armen Bauern schlechter ging. Mit viel Glück konnten sie ihre Ländereien noch bewirtschaften… zumindest manche. Andere standen vor dem Ruin, zumal ihr Vieh langsam aber sicher von den öffentlichen Wiesen verdrängt wurde.

Landeszuweisungen in den Kolonien gab es nicht mehr und die finanzielle Entschädigung für Legionäre reichte nicht, um sich beim Landerwerb gegen die Vornehmen durchsetzen zu können.

Und wo ging es dann hin? Es heißt wohl nicht umsonst, dass ALLE Wege nach Rom führen. Auch die der armen Bevölkerung zog es anscheinend magisch in die Stadt am Tiber. Und dann? Es scheint eine logische Schlussfolgerung zu sein, dass die Stadt immer unzufriedener wurde.

Zudem verlor der Herrdienst deutlich an Attraktivität, da das Kriegsgeschäft schon attraktiver war… . Während die Feldzüge gen Osten viel Beute und Ruhm versprachen, schien das Kämpfen gegen aufständische Stämme auf der iberischen Halbinsel eher lästig und schwerfällig,- zumal hier bei Weitem nicht soviel Beute zu holen war. Bauern verweigerten klar den Dienst an der Waffe.

Verständlich, wenn man bedenkt, dass die Einzigen, die im Rahmen der Feldzüge zu Ruhm kamen, die Senatoren waren. Die Bauern wurden aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen, wo sie den ohnehin -wenn überhaupt vorhanden- zu kleinen Acker nicht bewirtschaften konnten, und überlebten -wenn überhaupt- nur mit Glück. Keine verlockenden Aussichten, die zu einem Anstimmen von „You’re in the Army now!“ von Status Quo verleiten könnten.

Trotzdem schienen die Senatoren wenig Mitgefühl für die hungernden Kleinbauern aufbringen zu können. Keiner wollte den ager publicus mit dem „normalen Volk“ teilen. Gleichzeitig wollte jedoch keiner unter ihnen auf den hilfreichen Dienst der Bauern als Kanonenfutter verzichten.

Und genau JETZT kommt Tiberius wieder ins Spiel! 

Dieser wurde 163 v. Chr. geboren und gehörte zu einer der angesehendsten Familien Roms (mehrere Vorfahren waren Konsuln). Zur Vorstellung der Mutter der beiden Brüder gehörte ein klarer Karriereplan für ihre Söhne. Sie sollten nicht nur mit ihren Vorfahren gleich ziehen, sondern diese auch noch übertreffen.
Im Alter von 17 Jahren kämpft Tiberius gegen Karthago, siegt und gehört zu den ersten Kämpfern die bei der Belagerung die Mauern Karthagos erklimmen.
137 v. Chr. wird Tiberius Quästor, bekämpft Aufständische in Spanien, handelt einen Waffenstillstand aus, verhandelt und rettet somit zehntausenden Soldaten das Leben. 
Leider wird diese Geste in Rom nicht honoriert und nach einigem Hin und Her scheint seine Karriere beendet. Seine dignitas ist schwer beschädigt. Ende Gelände, Schicht im Schacht… – By the way: Wasn mit der dignitas von Berlousconi? … Egal… .

134 v. Chr. betritt Tiberius erneut -diesmal als Volkstribun- die politische Bühne. (Hoffen wir mal, dass Berlousconi das nicht auch vor hat… AHH! Nu is aber gut… weiter im Text…) Somit genießt er nun Immunität und Unverletzbarkeit.

Und genau hier kommen die Klagen des Volkes über die Ungerechtigkeit bei der Ländervertreilung wieder ins Spiel. Ideal, um wieder in der Politik aufzusteigen, oder? Die Frage, ob Tiberius wirklich helfen wollte oder einfach nur auf seine persönliche Karriere aus war, bleibt wohl unbeantwortet.

Sein Gesetzesentwurf sieht wie folgt aus:
– Jedem Römer soll es erlaubt sein, 500 lugera Staatsland zu nutzen
– Pro Kind kommen zu diesem Wert weitere 250 lugera hinzu
– Keine Strafen für in der Vergangenheit zuviel angereichertes Land! (dieses muss jedoch zurück gegeben werden)
– Rechtmäßig besetzter ager publicus geht in das Eigentum der Gutsbesitzer über
– Das daurch frei werdende Land soll an Bürger und Kleinbauern ohne Grundbesitz verteilt werden. (Es handelte sich hierbei um sehr kleine Parzellen, die auch für arme Menschen erschwinglich waren)

BÄM! Das wars!
Und nun? Selbstverständlich lehnt die Mehrheit der Senatoren den Vorschlag klar ab. SIE würden ja Land verlieren. Und aufeinmal stehen genau die Senatoren geschlossen auf einer Seite, die ansonsten um Macht rivalisieren.
Auf der anderen Seite: Tiberius und der Rest des Volkes.

Nun entscheidet der Vokstribun, vor Abstimmung in der Volksversammlung über die Gesetzesvorlage NICHT den Senat anzuhören, wie dieses damals üblich war, sondern direkt die Versammlung einzuberufen. Der Senat war damit klar übergangen.

Tiberius Gracchus betrieb im Vorfeld natürlich etwas, das wir heute Wahlwerbung nennen würden. Versprechungen wurden gemacht, Ängste geschürt… das ganze Programm. Letzten Endes können Volksversammlungen aber nur einen Vorschlag annehmen oder ablehnen. Diskussionen sind hier nicht auf der Tagesordnung. Ein Vorlesen des Gesetzesentwurfes wird unterbunden und der arme Tiberius sieht seine Fälle ein zweites Mal davon schwimmen. Er beruft eine zweite Versammlung ein.
Als nach einigen Wortgefechten immernoch keine Einigung erzielt wird, wendet er sich an den Senat, der ihn aber lediglich auffordert, sein Reformgesetzt zurück zu ziehen.


Er entscheidet sich jedoch dazu, sein Gesicht zu wahren und damit mit dem Senat auf Konfrontation zu gehen. Er fordert das Volk auf, Octavius das Amt des Volkstribuns zu entziehen, da er nicht die Interessen des Volkes vertrete. Mutig… sofern man an die Unantastbarkeit des Amtes denkt!
Und tatsächlich: In einer Abstimmung wird entschieden, dass Octavius ein Amt nicht mehr ausüben soll. Damit ist der Weg für die Reformen frei und es wird mit der Verteilung von Staatsland an Besitzlose begonnen.


Das Gremium welches sich mit der Umsetzung befasst, besteht aus Tiberius, seinem Schwiegervater und seinem Bruder Gaius.


Der Senat lässt die Landkommission gewähren… vermutlich letzten Endes aus Furcht vor dem Volk, verweigern Tiberius jedoch immer wieder Geld, welches nötig wäre, um die Siedler mit landwirtschaftlichen Geräten auszurüsten.


Und wieder kommt Tiberius das Schicksal ein großes Stück entgegen. König Attalos III. von Pergamon vermacht sein kleinasiatisches Reich dem römischen Volk. Frei nach dem Motto: nach meinem Tod erobert ihr das Land sowieso… hier habt ihrs geschenkt!
Tiberius sieht seine Stunde als gekommen und beantragt, die Schätze des Königs nach Rom schaffen zu lassen. Damit untergräbt er erneut die Autorität des Senats, da er sich hier klar in die Wirtschafts- und Finanzpolitik einmischt.
Zudem werden Gerüchte geschürt, Tiberius wolle sich zum König krönen lassen… ein absoluten No- Go, da seit dem Jahr 509 v. Chr. in Rom kein König mehr geduldet werden würde.


Momentan kann Tiberius noch nicht der Prozess gemacht werden, da ihn seine Immunität als Volkstribun schützt. Noch…. . Jedoch wird er von seinen Anhängern gebeten, sich für eine zweite Amtsperiode als Volkstribun zu bewerben. Dies ist laut Gesetz jedoch streng verboten. Eine Amtsperiode… danach ist Schluss. Meint man.


Am Tag der Abstimmung fällt ein missgünstiger Umstand ins Gewicht. Blöd, wenn die meisten Anhänger zum Zeitpunkt der Wahl zu einer zweiten Amtszeit auf Äckern und Feldern arbeiten und ihren Willen nicht kund tun können. Tiberius löst daher die Versammlung schnell auf, verschiebt die Abstimmung auf den nächsten Tag und hofft, bis dahin größere Massen für ihn mobilisieren zu können.


Und so geschieht es, dass sich am nächsten Tag deutlich mehr Anhänger auf dem Platz vor dem Jupiter- Tempel eingefunden haben.
Dann eskaliert die Situation. Tiberius fürchtet um sein Leben, gibt seinen Anhängern ein Zeichen, welches auch seinen Gegnern auf dem Platz nicht entgeht. Diese machen sich auf den Weg zum Senat, informieren diesen, dass Tiberius nach der Königskrone greife und dass der „Tyrann“ gestürzt werden müsse.


Der Rest ist Geschichte. Anhänger des Senats und Gegner der Reform prügeln auf Tiberius ein und töten ihn schlussendlich.
Ein Jahr später werden die restlichen Tiberius- Anhänger nach einem Aufruf des Senats eingekerktert, verbannt oder gleich exekutiert.


Trotzdem bleibt die Agrarreform unangetastet. Zu groß ist die Angst des Senats vor den Folgen und einem Aufstand des Volkes. Siedler und Kleinbauern werden mit Land versorgt, zahlreiche Grundbesitzer müssen ihr Land abgeben.


124 v. Chr. wird dann Gaius Gracchus zum Volkstribunen gewählt, natürlich unter Widerstand der Nobilität. Er möchte die Reformen seines Bruders fortsetzen, ist jedoch noch ein Stück weit geschickter als Tiberius. Viele Gesetze werden in Kraft gesetzt, zum Beispiel werden neue Kolonien für Siedler gegründet (auch außerhalb Italiens- in Karthago).
Des Weiteren legt Gaius einen Gesetzesentwurf vor, dass ein Bürger nur nach 
Bestätigung durch die Volksversammlung getötet werden kann. Diese Vorlage soll RÜCKWIRKEND gelten!


123 v. Chr. wird Gaius dann zum zweiten Mal zum Volkstribun gewählt. Nun muss der Senat reagieren. Er engargiert einen anderen Tribun, der das Volk durch leere Versprechungen beeindrucken soll und somit beliebter werden soll als der Gracchus- Bruder.


Die Niederlagen des Gaius häufen sich und so reist er nach Nordafrika, um dort Kolonien zu gründen. Als er wieder zurück nach Rom kommt, scheint er auf der allgemeinen Beliebtheitsskala deutlich gesunken zu sein. Er wird nicht mehr zum Tribunen gewählt.

Die nächste Abstimmung, nämlich darüber, ob die neu gegründete Kolonie wieder aufgelöst werden soll, steht im Raum. Sie stünde unter einem schlechten Stern, da das Land nach dem Sieg Roms über Karthago verflucht worden sei.

Gaius und seine Anhänger sollen sich vor dem Senat verantworten, besetzen stattdessen aber lieber den Aventin. Logischerweise -zumindest für damalige Verhältnisse- beschließt der Senat, die Stadt vor den Aufständischen zu schützen. Der Aventin wird gestürmt, Gaius kann fliehen, einige seiner Anhäger sterben im Gefecht. In einer ausweglosen Lage wird Gaius jedoch von einem seiner Sklaven getötet.


In der Folgezeit werden nicht weniger als 3000 Anhänger des Gaius Gracchus erschlagen, die besagte Kolonie wird zerschlagen und auch im Jahre 111 v. Chr. endet die Zuweisung von Grundstücken.


Die Zeit der friedlichen Gespräche am Tiber ist nun endgültig vorbei. Gewalt steht im Vordergrund, wenn es darum geht, Konflikte zu lösen.
Es ist daher nurnoch eine Frage der Zeit, bis auch Politiker mit kompletten Legionen um die Macht in Rom kämpfen.


Ich wünsche allerseits einen schönen Sonntag!!